Unterwegs: Die Isola S. Giulio

In einer weiteren Reihe mit dem Namen “Unterwegs” möchte ich einige Reiseberichte posten. Die letzten Jahre haben Sean und ich in Piemont am Lago d’Orta verbracht, vor allem um im Centro d’Ompio mitzuwirken. Dieses Jahre sind wir mal nur Gäste. Ich nehme daher die Gelegenheit wahr, euch diese Region Italiens, die ich lieben gelernt habe, näher zu bringen.

Am Ortasee – Isola S. Giulio

Gleich vor dem Städtchen Orta am Lago d’Orta liegt die Insel S. Giulio – quasi das Herzstück des Sees. Auf ihr steht eine romanische Kirche mit einem dazu gehörigen Nonnenkloster der Benediktinerinnen. Von Orta geht alle 15 Minuten eine Fähre zur Insel, jederzeit startklar sind die Wassertaxis, die Touristen zu einem höheren Tarif zum Klostereiland bringen.
Die Kirche S. Giulio selbst ist eine typische romanische Kirche –  zum Teil noch aus dem 11. Jahrhundert, im Inneren sind noch zahlreiche Fresken erhalten, die der Kirche in ihren leuchtenden Farben eine gewisse Lebendigkeit verleihen. Da begegnet man einem meterhohen Erzengel Michael, der sein Schwert erhebt (mit seiner blonden Lockenpracht zum verlieben) dort erblickt man das Gesicht einer Heiligen, die in einen Pfeiler eingemauert scheint. Links vom Hauptaltar steht ein romanischer Ambo, der mit den Tieren der Evangelisten geschmuckt ist, auf den Schwingen des Adlers ruht das Lesepult.
Unter dem Hauptaltar führen Stufen in eine Krypta, wo die Gebeine des Heiligen Giulio (Wilhelm vom Dijon) bewahrt werden. In barocker Üppigkeit, hinter vergoldetem Schmiedeeisen hat der Heilige dort seine Ruhestatt gefunden. Die Krypta ist erhellt von zahlreichen Kerzen. In einem Seitenraum der Krypta ist die Geschichte der Kirche, die übrigens lange Zeit auch ein Bischofssitz war, dokumentiert.
Jeden Sonntag um 11 Uhr läuten die Glocken S. Giulios zum Gottesdienst, dieser ist von Einheimischen wie Touristen gleichermaßen gut besucht, die Kirche füllt sich. Einige der Kirchengänger beten gemeinsam den Rosenkranz. Dann Stille. Das Hauptportal der Kirche öffnet sich, und die Nonne schreiten hinter dem Priester durch das Langhaus in den Chor. Die Messe ist schlicht und berührend, die Nonnen singen mit zarten Stimmen das Halleluja und Credo. Hier ist der katholische Glaube noch echt und wird von Herzen gelebt. Mir fällt auf, dass die meisten Nonnen nicht mehr die Jüngsten sind, doch finden sich immer noch ein oder zwei Novizinnen unter ihnen.
Nach der Messe machen wir einen Spaziergang.
Die Insel ist fast komplett bebaut. Neben Kloster und Kirchen stehen dicht an dicht Häuser gebaut. Ein kleiner Spazierweg trennt den inneren Häuserkern vom äußeren Villenring, in wenigen Minuten kann man die Insel umkreisen. Der Weg geht über Kopfsteinpflaster und ist mit Schildern versehen, deren Sinnsprüche zur Kontemplation einladen. Geht man den Weg im Uhrzeigersinn, wählt man den Pfad der Stille, im Gegenuhrzeigersinn folgt man dem Weg der Meditation. Im Souvenirladen neben der Kirche bedient uns eine freundliche alte Dame. Sie erzählt uns, dass sie auf der Insel geboren wurde und ihr ganzes Leben hier verbracht hat. Kann man sich das vorstellen? Jeden Tag fährt sie mit dem Boot aufs Festland zum Einkaufen.  Das Boot ist für die kleine Gemeinschaft an Bewohnern der Insel das tägliche Verkehrsmittel. Jedes Haus hat seinen eigenen Bootsteg – zum Teil sogar ganze “Wassergaragen”, die selber aussehen wie kleine Palazzi zu Wasser.

Wir fahren mit der Fähre zurück. Es bewölkt sich langsam. Nebel zieht auf und verschleiert die Insel.

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